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Meldung Nr: RUS-CERT-30

[iPatente] Das Europäische Patentamt hat bereits 30000 I-Patente illegal erteilt
(2000-11-21 18:23:45+00)

Quelle: http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/indexde.html

Das EPA (Europäische Patentamt) hat nach Angaben des FFII in der Vergangenheit bereits zahlreiche, meist äußerst zweifelhafte Softwarepatente vergeben und dabei gegen geltendes Recht verstoßen!

Das Europäische Patentamt hat in den letzten Jahren gegen den Buchstaben und Geist der geltenden Gesetze bereits 30000 Patente auf Programme, Programmierverfahren, Geschäftsideen und organisatiorische Verfahren erteilt.
Der Förderverein für eineFreie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat einen zufällig ausgewählten Auszug dieser I-Patente in Form einer Liste auf seinem Webserver verfügbar gemacht.

Meist handelt es sich dabei um äußerst zweifelhafte Patente deren Anspruchsbereich so unscharf und allgemein gehalten ist, daß ein Großteil der im Umlauf befindlichen Software, angewandter meist alltäglicher Verfahren sowie viele schon jahrelang etablierte Standards lizenzpflichtig würden, wären die Patente einklagbar. Unter anderem wären Verfahren wie CGI-Scripte auf einem Webserver, RPC (Remote Procedure Call), möglicherweise sogar Telnet, Multitasking, der elektronische Einkaufswagen und sogar das Prüfen von Lernstoff in Schulen mittels Computer (in sehr allgemeiner Form) patentiert.

Nach im Augenblick geltendem Recht sind diese Patente relativ nutzlos, da sie gar nicht erteilt hätten werden dürfen. Sollte das EPA aber Erfolg haben mit seiner Initiative, das Europäische Patent Übereinkommen EPÜ zu überarbeiten und um die Patentierbarkeit von Software zu erweitern und damit sein Tun nachträglich zu legalisieren, könnte es in Zukunft sehr schwer werden, Software zu entwickeln. Entwickler begeben sich in vermintes Gelände, jeder Programmierkniff und jede Verfahrensweise kann patentiert sein oder werden und der Patenteigner kann den Entwickler zur Kasse bitten oder vor den Kadi zerren.

Speziell die Entwicklung von OpenSource-Software, die meist keinen keinen kommerziellen Hintergrund hat, wird zum Vabanquespiel für die Programmierer, denn sie haben meist nicht die nötigen finanziellen Polster, die Sicherheit vor drohenden Lizenzgebühren oder Strafen böten. Wer würde sich da noch freiwillig solchen Risiken aussetzen? Nutznießer der Initiative wären dagegen große Softwarehäuser, die mit Leichtigkeit Lizenzgebühren bezahlen oder Prozesse führen können. Wen wundert es da noch, daß diese zu den Befürwortern von Softwarepatenten gehören...

Besonders hart getroffen von einer solchen Entwicklung würde die IT-Sicherheitsbranche, die auf OpenSource-Produkte zur Realisierung von wirklich sicheren Lösungen unbedingt angewiesen ist.

Offenbar ist die Praxis des EPA, Patente zu erteilen, die nicht erteilt werden dürfen, Gang und Gäbe, nicht nur im Bereich der Softwarepatente. Wie SpiegelOnline berichtete, hat das Europäische Patentamt schon 1999 an die Australische Firma Amrad ein Patent auf Mischwesen aus Mensch und Tier vergeben. Nach Angaben von Greenpeace hat das EPA auch mehrere Patente auf Saatgut und Pflanzensorten erteilt, was das Gesetz ausdrücklich verbietet.

Glücklicherweise scheinen die Bedenken, die in breiten Kreisen der IT-Branche geäußert werden mittlerweile auch in der Politik Gehör zu finden. Die zu den Gegnern einer Initiative, die vom EPA im Hau-Ruck-Verfahren durchgesetzt werden will, zählende Bundesjustitzministerin Herta Däubler-Gmelin will notfalls sogar das EPÜ insgesamt platzen lassen, zitiert der Heise Newsticker SpiegelOnline.

(og)

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